18. November 2014

Bojanowski platzt die Hutschnur

Nach dem mich Facebook rausgeschmissen hat, ich mich aber dennoch nicht aus den sozialen Netzwerken verabschieden möchte, habe ich Twitter ein wenig mehr Aufmerksamkeit gewidmet , und muss sagen, zur Informationsbeschaffung ist der Kurznachrichtendienst gar nicht so schlecht. Doch dazu vielleicht später einmal ein paar Zeilen. Erst mal finde ich es gut, dass wenn sich irgendwo etwas tut, man sich relativ einfach einklinken kann, auch ohne ein sogenannter Follower zu sein. Als Client benutze ich Hotot, und mit einem Klick auf den Namen der Person die ich beobachten möchte, erscheinen alle Nachrichten in einer separaten Spalte.

Momentan habe ich die Grünenpolitiker Hermann Ott und Sven Giegold auf dieser Liste, die Journalisten Gabor Paal, Axel Bojanowski und noch ein paar andere, jeweils. So ist mir denn auch nicht entgangen, dass sich der Grüne Ott und der Journalist Bojanowski (Spiegel) ganz ordentlich in die Wolle geraten sind. Anlass war der Artikel Bojanowskis im SPIEGEL, in dem er berichtet, dass der sogenannte Synthesereport des IPCC einige ordentliche Fehler enthielt, Dinge verzerrt und falsch dargestellt wurden, immer mit der Tendenz »Alarm vor Genauigkeit«.

Am Anfang ginge es noch ganz normal zu.oder das hier: Was hier schon auffällt, ist der Anspruch von Ott & Co. eine Deutungshoheit zu besitzen, nicht nur über den IPCC-Bericht, oder dem Synthesereport, sondern gleichzeitig bestimmen zu wollen, was in der Presse darüber steht. Hier soll Druck ausgeübt werden, Journalisten sollen gefälligst so schreiben, dass die Autorität des IPCC nicht in Frage gestellt wird. Ganz eifrige, um nicht zu sagen Eiferer, wie der grüne Aktivist Jens Wieting initiieren schon mal eine Petition in der die Unterzeichner fordern, der SPIEGEL möge den unbequemen Journalisten Bojanowski „nicht länger mit dem Thema Klima betrauen“ und „Der SPIEGEL sollte eine eindeutige Stellungnahme zu den Gefahren des Klimawandels veröffentlichen, um der bereits angerichteten Verwirrung entgegenzutreten“. Richtig zur Sache ging es aber dann, als sich ein paar Leute aus dem Dunstkreis von Klimaretter.info an die Widerlegung der Darstellung Bojanowskis machten, und behaupteten, seine Darstellung wäre eine Fälschung. Der wehrte sich natürlich dagegen, wie man ebenfalls schön auf Twitter verfolgen konnte.Dann ging es weiter mit gegenseitigen Beschuldigungen und Rechtfertigungen; wenngleich Bojanowski dachte, nach ein paar Korrekturen seines Textes, die aber nicht seine Hauptaussage relativierten, welche eben »Alarm vor Genauigkeit« ist, wäre die Sache geklärt.Damit wollte man sich auf der Gegenseite allerdings nicht zufrieden geben, zu sehr hatte man sich schon aus dem Fenster gelehnt, als dass man nun ohne Gesichtsverlust einfach aufhören könnte.Nach ein paar weiteren Tweets dazu, platzte dann Bojanowski die Hutschnur, wohl auch, weil sich die Aktivisten immer mehr in der Rolle der gerechten Hüter einer politischen Interpretation des IPCC-Berichts gefielen. Um Wissenschaft geht es da nämlich nur vordergründig.Hier schien die Auseinandersetzung nun endgültig zu eskalieren, doch Bojanowski lenkte dann doch noch ein und stellte eine öffentliche Diskussion in Aussicht, mit der Voraussetzung: Sachlichkeit. Da war dann erst mal die Luft raus und es ging weiter mit Vorverhandlungen wie wann wo diese Diskussion statt finden soll, und vor allem, mit wem:Offensichtlich hat es nebenbei noch einen weiteren Austausch per Email gegeben und man ist sich einig geworden, dass diese öffentliche Diskussion statt findet.Hier können wir diese Auseinandersetzung auf Twitter verlassen, und uns auf die Diskussion freuen, Bojanowski jedenfalls scheint gewillt seine Darstellungen zu verteidigen, und Medienprofi ist er sicherlich auch genug, um zu wissen, dass die Klimaschützeraktivisten versuchen werden über die politische Argumentation die Oberhoheit zu gewinnen.

Was lehrt uns dieser kleiner Ausflug in die Niederungen der politisierten Klimawandeldebatte? Da wäre zuerst die Frage, warum die Klimaaktivisten den Bojanowski Artikel nicht einfach ignoriert haben, und akzeptieren, dass in einer pluralistischen Gesellschaft eben verschiedene Meinungen zu einem Sachverhalt existieren? Das ist um so verwunderlicher, gerade wenn man den Klimawandelzirkus schon eine Weile beobachtet, weil in dieser Debatte die absonderlichsten Annahmen und Standpunkte publiziert werden. Von beiden Seiten. Nein, hier wurde ein Shitstorm losgetreten, eine Petition initiiert, um die Deutungshoheit in der Öffentlichkeit nicht zu verlieren. Wenn Skeptiker das sagen, was Bojanowski sagte - was die ja ständig tun - dann interessiert das keine Sau, die können in ihrem eigenen Kosmos tun was sie wollen, es tangiert die Aktivisten wenig, solange diese Aussagen nicht in die Medien gelangen welchen eine gewisse Meinungsführerschaft nachgesagt werden. Doch noch viel wichtiger ist, wer was sagt. Bojanowski hat sich Reputation als Wissenschaftsjournalist erworben, auch und gerade, weil er meist über die Sache berichtete und wenig Rücksicht auf das allgemeine Meinungsklima nahm. Was ihm auch in der Vergangenheit schon einige Anfeindungen eingebrockt hat.

Nun hat man versucht ihn mundtod zu machen, nicht anders kann man die vielen Tweeds und die Petitionen deuten, und der Verdacht keimt auf, dass die Klimaschutzaktivisten mit dieser Einschüchterungsstrategie bei anderen Journalisten oder Medien damit recht erfolgreich gewesen sind. Diejenigen die sich noch nicht die Reputation eines Bojanowski erarbeitet haben, oder für ein Blatt oder einen Sender arbeiten, denen es mehr um die Bedienung der öffentlichen Meinung geht, oder gar um die Pädagogisierung der Gesellschaft, als um guten Journalismus, werden bei einem derartigen Angriff, wie er von den Aktivisten vorgetragen wurde, einknicken.

Abschließend bleibt aus meiner Sicht nur, zu hoffen, dass es genügend Leute gibt, die den IPCC-Bericht lesen, so wie das Edenhofer auf der Pressekonferenz empfahl, und gleichzeitig die dortigen Aussagen mit dem Synthesebericht vergleichen. So wie dieser nämlich zu Stande gekommen ist, als politisches Aushandlungsergebnis, ist zu vermuten, dass es dort noch wesentlich mehr Falschaussagen gibt als bislang öffentlich bekannt.

Ich allerdings werde den Bericht nicht lesen, noch rund ein Dutzend Bücher liegen auf dem Schreibtisch wartend herum, und die habe ich schon so oft vertröstet, dass es mir langsam ein schlechtes Gewissen macht. Außerdem fehlt mir das Fachwissen, was dann auch wieder schlagartig deutlich werden lässt, wie wichtig glaubwürdiger Journalismus ist. Bojanowski wird also bei der nun anstehenden Diskussion diese seine Glaubwürdigkeit verteidigen müssen. Ich denke, er schafft das, und ich wünsche mir, dass mehr Journalisten nicht vor Anfeindungen dieser Art, wie sie hier geschehen ist, einknicken.

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