22. Februar 2015

Dímos und das Kartenspiel

Immer wieder ist in letzter Zeit von einer Spieltheorie die Rede, wenn es um Griechenland geht. Welche Taktik hinter den Auftritten, die die neue Regierung an den Tag legt, steckt, und wie man dies zu deuten hätte. Ich kenne mich damit nicht aus, muss allerdings an meinen Freund Dímos denken. Der ist jetzt in Rente, hatte aber früher eine Kneipe im Stuttgarter Süden betrieben. Verpachtet wurde diese von einem Automatenaufsteller, entsprechende Spielautomaten waren drin, auch ein Dartautomat, an dem ich gelegentlich mit ein paar anderen Gästen spielte.

In Kneipen dieser Art, zu Essen gab es nichts, wer Hunger hatte, holte sich beim Metzger gegenüber eine Kleinigkeit, kommt man sich menschlich näher, auch die Gestrandeten und die Alkis finden sich ein, und treffen auf den Handels- oder Versicherungsvertreter. Ein Puppenspieler kam auch gelegentlich vorbei, einige Handwerker.

Dímos war stolz auf sein Erreichtes, schilderte manchmal seinen beruflichen Werdegang als Einwanderer aus Griechenland. Zuerst irgendwo als Fließbandarbeiter, dann nebenher weitere Tätigkeiten, bis er dann hauptberuflich Kneiper wurde. Die Zeit am Anfang in Deutschland wäre schon hart gewesen, viel viel Arbeit, immer zuwenig Schlaf.

Nun ist er in Rente und ich habe ihn viele Jahre nicht mehr gesehen, auch weil ich schon lange nicht mehr in der Gegend lebe. Nur einmal noch habe ich ihn getroffen, in einem Baumarkt. Dort erfuhr ich von ihm, dass er seine Kneipe abgegeben hätte und nun den Ruhestand genießt. Verwundert war ich nur dass ich ihn hier traf, weil er früher immer sagte, wenn er Rente bekommt, geht er zurück nach Griechenland. Das hat er offensichtlich nicht getan, die Familie ist halt hier, Kinder arbeiten oder studieren hier, haben geheiratet und Enkel sind vielleicht auch schon da. Was will er da in Griechenland, ich verstehe seine Entscheidung.

So sehr ich ihm mochte, den Dímos, eines durfte man mit ihm überhaupt nie machen: Kartenspielen. Das liebte er, und er betrog fast immer. Ich habe die Regeln dieses in dieser Kneipe oft gespielten Spiels vergessen, irgendwie so was ähnliches wie rudimentärer Skat. Kein Reizen oder Null, ganz einfach hat, jedenfalls für einen der Skat spielen kann, was bei mir als gebürtigen Sachsen eine Selbstverständlichkeit ist.

Aber dennoch hat das Betrügen Spaß gemacht, auch mir, nachdem ich recht schnell begriffen hatte wie der Hase läuft. Richtig gut hat es funktioniert, wenn sich zwei Spieler gegen einen dritten verbündet hatten, den man dann ausgenommen hat. Hört sich jetzt schlimmer an als es war, es ging ja immer nur um Pfennigbeträge, schlimmstenfalls hat man mal ein paar Mark verloren. Auch der Betrogene wusste ja was ab geht, dass er beschissen wurde. Was ihn aber nicht davon abhielt wieder mitzuspielen, natürlich in der Hoffnung, nun selbst einen Verbündeten zu haben, mit dem man gemeinsam Dímos abzocken konnte.

Wenn das klappte, was selten geschah, und Dímos mitbekam dass er mit den eigenen Mitteln geschlagen wurde, war großes Theater angesagt. Karten weg geschmissen, den Gegner Betrüger genannt, verbunden mit anderen nicht unbedingt stubenreinen Bezeichnungen. Große Empörung, großes Kino. Sämtliche Unterhaltungen in der Kneipe wurden eingestellt und alles schaute auf den Platz an dem Dímos seine Show abzog.

Wie gesagt, von Spieltheorie verstehe ich nichts, aber wie im Spiel Regeln kreativ ausgelegt oder umgangen werden, und wie man sich, falls man ertappt wurde, trotzdem moralisch empören kann, das habe ich in der Kneipe gelernt.

Ich muss zugeben, ich hatte meinen Freund Dímos schon fast vergessen, es ist ja nun auch schon Jahrzehnte her dass wir unseren Spaß hatten, doch in letzter Zeit muss ich immer wieder an ihn denken, wenn von Spieltheorie und der Verhandlungsführung der neuen griechischen Regierung berichtet wird. Der Alexis und der Yanis kommen ja irgendwie auch sympathisch rüber. Ich kann mir vorstellen, die beiden hätten gut an unseren Spieltisch gepasst.

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