17. April 2015

Ein deutscher Selbstkritikschalter

Unlängst im Fernsehen bei Maischberger, es hätte aber auch irgend eine andere Sendung sein können. Conchita Wurst und noch ein paar andere Transsexuelle, oder was immer für eine Bezeichnung dafür gerade für die jeweilige Person passend oder zutreffend ist, waren geladen. Dazu irgendjemand von der katholischen Kirche und ein Politiker der AfD. Alice Schwarzer war auch dabei. Ich lümmelte, zusammen mit meiner Frau auf dem Sofa, sie Erdnüsse, ich Schokolade futternd. „Kann ich das wegdrehen“ fragte ich. „Warte mal“ kam als Antwort. Danach entwickelte sich ein kleines Gespräch. Was im Fernsehen passierte haben wir dabei nicht mehr mitbekommen. Für sie, meine Frau, ist Conchita ein Bayot, ein schwuler Mann in Frauenkleidern, als Frau fühlend und hauptsächlich sich so darstellend. Die Betonung liegt auf fühlend und darstellend, nicht dass sie eine Frau sei. Bayots sind nicht so selten auf den Philippinen. Sie berichtete, dass viele ihrer Freunde Bayots gewesen seinen, und sie es interessiere wie die hier in Deutschland so sind und leben, in der Öffentlichkeit wären sie ja kaum zu sehen.

Sofort befand ich mich in der Verteidigungsposition, glaubte mich erklären zu müssen, dass ich mir lediglich dieses Gefasel, welches nun durch alle Medien geistert, nicht antun möchte, ich aber ganz bestimmt nichts gegen solche Leute wie Conchita hätte. Sie wusste das, schließlich kennen wir uns schon ein paar Tage. Als wir heiraten wurde beispielsweise auch ein Bayot bestellt, dessen Job es war die Braut zu schminken. Der war ein richtiger Profi in diesem Fach, und, so meine Frau, das können die viel besser als jede Frau. Sie sind wie Mädchen, meinte sie weiter, und noch viel sensibler als Frauen und mit einer besonderen künstlerischen Ader ausgestattet.

Sie berichtete noch von ihren Freunden, über deren Eigenheiten und welches Leben diese führten, welche hervorgehobene Rolle gerade Tanz, Gesang und Selbstdarstellung im Leben der Bayots spielen würde, und dass sie eine eigene Wirklichkeitswahrnehmung haben, Dinge die für uns kaum Bedeutung haben für sie wichtig sind, und umgekehrt. Die sexuelle Orientierung der Bayots spielte dann in unserem Gespräch keine Rolle mehr, klar sind es im Prinzip Schwule, weil sie eben als Männer auf Männer stehen. Doch dies macht nicht das hauptsächliche Merkmal eines Bayots aus, im Vordergrund steht die Lust auf Verwandlung und der sensible und selbst darstellerische Charakter.

Hierzulande ist die Wahrnehmung der hiesigen Bayots, ich übernehme diese Bezeichnung der Einfachheit wegen, eine andere. Sie ist von der sexuellen Orientierung bestimmt, und dass deren Verhalten ein Ausbruch aus den traditionellen Geschlechterrollen darstellt. Die Selbstdarstellung der Bayots wird als Kritik an den Geschlechterrollen empfunden, wodurch der automatische Selbstkritikschalter betätigt wird, ohne den heute wohl keine gesellschaftliche Diskussion möglich ist. Oder auch nur die Diskussion über verschiedene Personengruppen. Kontextuierung immer in Richtung Gesellschaft, das Individuum vergessend oder als Opfer einer intoleranten Gesellschaft darstellend.

Von der Maischberger-Sendung habe ich nichts mitbekommen, auch später keine Kritiken darüber gelesen. Wenn vergleichbare Sendungen im TV laufen, dann schalte ich um. Conchita, und all die Anderen, empfinde ich weder als Provokation, noch als Mahnung nach mehr Toleranz gegenüber sexuellen Orientierungen. Mich geht das einen Scheiß an, wer, warum, auf wen steht, begehrt und liebt. Und so wie ich unsere Gesellschaft wahrnehme, sehen das die meisten Menschen genau so. Genau genommen will ich es nicht mal wissen, wer welche sexuelle Präferenzen hat, die meinen sollen ja auch privat bleiben, und ich empfinde es als unangenehm, wenn andere die ihren wie ein Reklameschild vor sich her tragen.

Ich will trennen zwischen der Lust auf öffentliche Selbstdarstellung und sexuellen Neigungen. Die Inszenierung von Conchita ist ja echt bemerkenswert und die künstlerische Performance auch, habe ich mir jedenfalls sagen lassen, denn mein Musikgeschmack ist es nicht.

Aber Bayots sind eben anders, ich mag sie eigentlich. So wie meine Frau zu unserer Hochzeit geschminkt wurde, ich hätte sie fast nicht wieder erkannt. Echt Klasse, das Talent für den Blick wie Verwandlungen inszeniert werden können. Lassen wir sie doch einfach machen und erfreuen uns ihrer Darstellungen. Wird dies aber in den Kontext einer Gesellschaftskritik gesetzt, unterstellt, wir wären ja so intolerant, dann geht mir das gewaltig auf die Eier. Für mich gehört das Leitbild der klassischen Familie zu unserer Kultur, genauso wie es dazu gehört diejenigen die mit diesem Leitbild nicht viel anfangen können, weil sie eben beispielsweise Bayots sind, zu akzeptieren und zu tolerieren. Mit sexuellen Neigungen hat das alles nämlich nur am Rande zu tun.

Was ich aber überhaupt nicht mag, ist dieses Gefasel in diversen Talk-Runden, bei denen regelmäßig versucht wird, denen die das Leitbild der klassischen Familie in der Erziehung für wichtig halten, Intoleranz zu unterstellen. Es geht nämlich beides, Conchita zu mögen, und für die klassische Familie einzutreten. So ist das millionenfach in diesem Land.

Conchita, und auch die anderen Bayots, sollten aufpassen, sich nicht vor einen Karren spannen zu lassen der nicht ihr Ding ist.


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